Türkei News :: Berühmte Türken :: Orhan Pamuk - Nobelpreisträger für Literatur
Orhan Pamuk wurde am 7. Juni 1952 in Istanbul geboren. Seine Familie war eine gutsituierte Familie, die sehr gut in die türkische Gesellschaft integriert war und durchaus zu der wohlhabenden Klasse zu dieser Zeit zählte, so dass es dem jungen Orhan während seiner Kindheit an nichts mangeln musste. Sein Vater Gündüz und dessen Bruder waren angesehene Ingenieure, die in die Fußstapfen von Orhans Großvater traten. Ein weiterer Onkel väterlicherseits war Mediziner in den USA und eine Tante war mit einem Rechtsprofessor verheiratet.
Orhans Mutter Seküre Ferit stammte aus einer reichen Familie ab, die ihr Geld in der Textilwirtschaft verdiente. Nach ihr hat Orhan auch seinen ersten Vornamen Ferit ? bekannt wurde Orhan Pamuk aber nur mit seinem eigentlich zweiten Vornamen Orhan.
Orhans Eltern heirateten 1949, gebaren ein Jahr später ihren ersten Sohn Sevket und nochmals 18 Monate später dann ihren zweiten Sohn Orhan. Zu diesem Zeitpunkt hatte Orhans Großvater väterlicherseits beschlossen ein Haus für die gesamte Großfamilie zu bauen, und schon bald nach Orhans Geburt zog die junge Familie in ein fünfstöckiges Gebäude im Herzen Istanbuls ein, in dem fortan jede Unterfamilie eine Etage bewohnte. Dieses für die Türkei typische Zusammenleben in der Großfamilie konnte also auch Orhan genießen, für den die Türen zu den anderen Familienmitgliedern immer offenstanden und der so auch viele Eindrücke von den unterschiedlichen Generationen aufnehmen konnte.
Besonders zu seiner Großmutter hatte Orhan ein inniges Verhältnis. Sie war es auch die ihm Lesen und Schreiben beibrachte und ihn auch mit einer gewissen Distanz zur Religion prägte. Denn nach Atatürk galt der Islam bei den reicheren Türken als eine der Hauptbremsen, die eine raschere Entwicklung der Türkei hin zum Wohlstand verhinderte. Diese Haltung seiner für die damalige Zeit außerordentlich gebildeten Großmutter mag auch dafür gesorgt haben, dass Orhan Pamuk sich schon früh als Außenseiter in der türkischen Gesellschaft gefühlt haben muss. Denn die Religion hatte zu dieser Zeit gerade bei der ärmeren Bevölkerung, die den Großteil der Türken stellte, immer noch einen sehr hohen Stellenwert.
Orhans Mutter war eine sehr schöne Frau, die sich jedoch nach der Geburt ihrer Kinder einsam und traurig fühlte. Sie trauerte dem eigentlichen Leben und ihrer verschwendeten Jugend nach und spielte schon bald mit dem Gedanken einer Trennung von ihrem Mann, der oft beruflich unterwegs war. Doch die isolierte Seküre blieb letztlich doch mit ihren Kindern in der Großfamilie.
Orhan wurde 1958 in die exklusive private Isik Lycee Schule eingeschult, musste aber schon bald die Schule wechseln, da die Familie aufgrund eines Arbeitswechsels des Vaters nach Ankara umzog. Zu dieser Zeit begannen auch die ersten wirtschaftlichen Probleme der jungen Familie, da viel Geld durch unglückliche Investitionen verspielt wurde. Als die Familie dann kurze Zeit später wieder nach Istanbul zurückzog, wurde er in der Schule nicht mehr aufgenommen und ging fortan auf die Sisli Progressive Schule.
Orhan entdeckte schon in früher Kindheit sein künstlerisches Talent. Mit sieben Jahren begann er das Malen und Zeichnen und wurde dabei auch stark von seinem Vater gefördert, der ebenfalls eine künstlerische Ader besaß, diese aber bei seiner Jobwahl nicht durchsetzen konnte. Anfang der 60er Jahre musste die Familie dann ihr Appartement in dem Großfamilienhaus wegen erneuten Geldmangels verkaufen und zog in eine Wohnung, die Seküres Familie gehörte, in einer etwas günstigeren Gegend Istanbuls ein. Ab 1964 verbesserte sich jedoch die wirtschaftliche Situation der Familie wieder, da Orhans Vater lukrative Stellen in der türkischen Firma Koc übernahm.
Ab 1966 besuchte Orhan dann zusammen mit seinem Bruder die Oberschule des Robert College ? eine der angesehensten Schulen Istanbuls und der gesamten Türkei. Zwar konnte er mit seinem Bruder, der nach der Schule an die Yale-Universität in die USA wechselte, leistungsmäßig nicht mithalten, schaffte aber trotzdem ohne Probleme den Abschluss. Zu dieser Zeit hatte das Malen schon einen extrem hohen Stellenwert für Orhan, und er malte, wann immer er konnte, Bilder von seinem Istanbul, insbesondere aber auch von den armen Vierteln der Stadt.
Auch wenn seine Eltern Orhan durchaus bei seinem künstlerischen Wirken unterstützten, so sahen sie dieses nur als Hobby an und hofften, dass Orhan nach der Schule in die Fußstapfen seiner Vorväter treten würde und ein Ingenieursstudium an der Technischen Universität in Istanbul aufnehmen würde. Orhan konnte einen Kompromiss aushandeln: Er ging zwar zur Technischen Universität, begann aber 1970 Architektur zu studieren, was immerhin noch einen gewissen Bezug zur Kunst besitzt.
Aber auch die Architektur konnte Orhan nicht begeistern. Denn die modernen Gebäude zerstörten für ihn gerade den historischen Charakter Istanbuls. Aber auch am Malen verlor Orhan das Interesse, vielmehr rückten nun die Novellen von Thomas Mann oder Virginia Woolf in seinen Fokus. 1973 entschied er schließlich auf die Universität von Istanbul zu wechseln und dort Journalismus zu studieren. Seine Eltern hatten sich kurz zuvor getrennt, und Orhan lebete fortan allein mit seiner Mutter. 1977 beendete Orhan Pamur erfolgreich sein Journalismus-Studium und wurde ins Master-Programm aufgenommen.
Schon 1974 begann Pamur mit dem Schreiben seiner ersten Novelle, ?Cevdet Bey?, eine Familiengeschichte im Stile der Buddenbrooks, die in den 30er Jahren der Türkei spielt und autobiographische Elemente von seiner eigenen Familie väterlicherseits beinhaltet. Insgesamt vier harte Jahre arbeitete Pamuk zumeist nachts an seinem Erstlingswerk. 1979 reichte er die Novelle dann bei einem Wettbewerb ein, bei dem das siegreiche Werk publiziert werden sollte. Pamuk gewann, doch die Veröffentlichung von Cevdet Bey zog sich bis ins Jahr 1982 hin. In einer ersten Auflage von 3000 wurde Cevdet Bey schließlich beim Verlag Karacan publiziert.
Nach Cevdet Bey wollte Pamuk seine nächste Novelle etwas politischer gestalten und erinnerte sich dabei an seine Zeit an der Technischen Universität, an der kommunistische Strömungen in den 70er Jahren das Studentenleben prägten. Er merkte aber relativ schnell, dass unter der 1980 in der Türkei herrschenden Militärjunta eine derartige politische Novelle nur wenig Chance auf Veröffentlichung hätte. Somit widmete er sich vorerst einer weiteren Familiengeschichte ?Sessiz Ev? (Das ruhige Haus). Diesmal ließ er sich von der Familie seiner Mutter inspirieren. Die Novelle ist insgesamt düsterer als Cevdet Bey und behandelt Probleme wie den Generationenkonflikt oder arrangierte Ehen in der türkischen Gesellschaft. Obwohl nur halb so lang wie sein Debutwerk benötigte Pamuk auch für seine zweite Novelle drei Jahre bis zur Fertigstellung. 1983 erschien sie im Can Verlag, rund 8000 Exemplare wurden im ersten Jahr verkauft. Sessiz Ev gewann 1984 den türkischen Madarali Preis für die beste türkische Novelle.
Ein Jahr später publizierte Pamuk auch schon sein drittes Erfolgswerk, die Kurzgeschichte ?Beyaz Kale? (Die weiße Burg), mit der er die erste Phase seines Schaffens in der Türkei abschloss. Denn im Herbst 1985 begleitete er seine Ehefrau Aylin, die er im Jahre 1982 geheiratet hatte, in die USA. Aylin konnte an der Columbia Universität promovieren, und Pamuk wurde zunächst in ein Schriftsteller-Programm des Staates Iowa aufgenommen. Hier erfuhr er, dass die Schriftstellerei ein ganz normaler Beruf sein kann, und bestärkte ihn nochmals bei seiner Berufsauswahl. Kurze Zeit später folgte er Aylin nach New York und gab dort an der Universität auch selbst Unterricht in der türkischen Sprache.
Das westliche Leben gefiel Pamuk und obwohl er schon in seiner Heimat westlich erzogen worden war, so erlebte er trotzdem vor Ort den erheblichen kulturellen Unterschied. Er machte sich fortan an sein nächstes Werk ?Kara Kitap? (Das schwarze Buch), welches seine Heimatstadt Istanbul mit Blick von außen charakterisieren sollte. Während seiner Arbeit und Gesprächen mit seinen neuen westlichen Kollegen und Freunden, erkannte Pamuk auch die Größe der Literatur seines eigenen Kulturkreises wieder. Hatte er in der Türkei traditionelle arabische und türkische Werke noch zumeist verachtet, so fand er durch Blick von außen auch hier die Schönheiten des geschriebenen Wortes wieder. Fortan machte er es sich zur Aufgabe diese alten Werke und Ideen auch in seinen Werken auf moderne Art und Weise wieder aufleben zu lassen. So kommen im ?Das schwarze Buch? Elemente von klassischen Autoren wie Rumi, Attar und Scheich Galip vor, sind jedoch in eine spannende Detektivgeschichte verpackt. Das Werk erschien 1990 und war ein solcher Erfolg in der Türkei, dass insgesamt rund 32.000 Exemplare in nur einem Jahr an die Leser gebracht wurden. Das Buch war für Pamuk der vollkommene Durchbruch in seinem Heimatland, in das er bereits ein Jahr zuvor zurückgekehrt war.
1989 war auch das Jahr der Fatwa gegenüber dem iranischen Schriftsteller Salman Rushdie, welche von dem iranischen Anführer Ayatollah Khomeini wegen Gotteslästerung verhängt worden war. Orhan Pamuk war einer der ersten muslimischen Schriftsteller, die sich auf die Seite seines Schriftstellerkollegen Rushdie stellten. Auch in den folgenden Jahren war Pamuk oftmals gesellschaftskritisch aktiv. So kritisierte er Mitte der 90er Jahre, wie sein Land mit der kurdischen Minderheit umging, und sprach auch immer wieder das in der Türkei umstrittene Thema der Afghanistan-Frage an, bei der es um den Umgang mit der afghanischen Minorität zwischen 1915 und 1923 geht.
In den 90er Jahren wurde man nun auch international auf den Türken Pamuk aufmerksam. 1990 wurde seine Novelle ?Die weiße Burg? ins Englische übersetzt, gewann in Großbritannien einen bemerkenswerten Preis und gelangte 1991 in den Handel. Im selben Jahr wurde sein zweites Werk ?Das ruhige Haus? ins Französische übersetzt und gewann den Prix de la Découverte Européenne. ?Das schwarze Buch? wurde 1994 ins Englische übersetzt. Pamuks nächstes Werk nannte sich ?Yeni Hayat? (Das neue Leben). Es erschien 1994 und war mit rund 164.000 verkauften Exemplaren im Erscheinungsjahr sein erfolgreichstes Werk und gleichzeitig auch das sich am schnellsten verkaufte Buch in der türkischen Literaturgeschichte.
Sein nächstes Werk war ?Benim Adim Kirmizi? (Mein Name ist rot). Es wurde 1998 fertiggestellt. Die Übersetzung ins Englische zog sich bis zum Jahre 2001 hin, und das Buch ging Anfang September in den Handel ? nur eine Woche vor den Ereignissen des 11. Septembers, die die Welt verändern sollten. Mit der Terrorattacke auf das World Trade Center wuchs auch schlagartig das Interesse der US-Amerikaner an der islamischen Kultur. Die Verkäufe von Pamuks Buch schnellten in die Höhe, sodass erstmals mehr Kopien seines Werkes im Ausland als in der Türkei über die Ladentheke gingen. Aber auch wenn in seinem Werk die Spannungen zwischen Okzident und Orient sicherlich eine Rolle spielen, so steht dies nicht im Vordergrund. Es werden in der Novelle wieder autobiographische Elemente in einen historischen Kontext verwoben. Eigentlich geht es in dieser Geschichte um die bedingungslose Hingabe eines Künstlers für seine Arbeit.
2002 folgte dann Pamuks bis dato politischstes Buch, ?Schnee?. Es geht hierbei um die im Nordosten der Türkei herrschende Armut und um die Intoleranz islamischer Fundamentalisten. Sein folgendes Werk ?Istanbul? war dann wieder von eigenen Erlebnissen geprägt. Es beschreibt seine eigene Familie und wie er von seiner Mutter erzogen wurde. Dabei machte er auch nicht davor Halt, deren fehlerhaftes Verhalten detailliert darzustellen. Das Buch führte letztendlich auch zum Bruch mit seiner Mutter und seinem Bruder, die sich bloßgestellt fühlten und den Kontakt zu Pamuk abbrachen.
Am 12. Oktober 2006 ereignete sich dann noch für Pamuk ein besonderer Tag. Es erreichte ihn die Nachricht, dass er den Nobelpreis für Literatur erhalten werde. Die genaue Bezeichnung für den Preis lautet: ?Bei der Suche nach einer melancholischen Seele seiner Geburtsstadt hat Pamuk neue Symbole für den ???? der Kulturen entdeckt.? Er erhielt den Preis nicht für eine bestimmte Novelle, sondern für sein literarisches Lebenswerk. Er hat mit seinen Geschichten die traditionelle Novelle der westlichen Welt erweitert, in die orientalische Welt transformiert und somit Brücken zwischen Orient und Okzident geschlagen. Er ist damit der einzige türkische Nobelpreisträger.
In der Türkei hält sich die Begeisterung für Pamuk jedoch in Grenzen, in einem Interview 2005 wird er sogar als der ?meistgehasste Türke? bezeichnet. Gerade im nationalistischen und fundamentalistischen türkischen Lager wird Pamuk aufgrund seiner Haltung zur Afghanistan- und zur Kurdenfrage mit Ablehnung und Verachtung betrachtet. Für Pamuk spielt dies aber kaum eine Rolle. Für ihn ist es wichtig, dass seine Werke heute in der ganzen Welt gelesen werden können, seine Bücher wurden in 46 Sprachen übersetzt.
Zur Zeit arbeitet Orhan Pamuk an seiner achten Novelle ?Das Museum der Unschuldigkeit?.
Orhan Pamuk hat zusammen mit seiner Frau Aylin eine Tochter Rüya, die im Jahre 1991 das Licht der Welt erblickte. Von seiner Frau ließ Pamuk sich im Jahre 2002 scheiden.
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